Über Kölsch

von professorbunsen

Eines der größten Mißverständnisse Kölsch betreffend ist, die Gläser hätten diese – von Einheimischen traditionell „Stangen“, von Besuchern traditionell „Fingerhüte“ genannte – Reagenzglasform, damit das Bier nicht so schnell schal wird. Das stimmt zwar, ist aber allenfalls eine Randerscheinung der magischen sozialen Alchemie, die sich in diesem schlanken Glaszylinder materialisiert.

Kölschstangen haben dieses Format zuvorderst, um die Dinge im Fluss zu halten.

Sie sind das Agens eines sozialen Systems, das sich über die wiederkehrenden Anknüpfungspunkte des Sichzuprostens und Ach-komm-eins-nehmen-wir-nochs immer wieder neu gestaltet. Heinz von Foersters Imperativ folgend („Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!“) handelt es sich um die ethischste Glasform überhaupt. Hier geht es nicht um Getränkefrische, sondern um etwas ganz anderes, nämlich darum, Menschen immer wieder neu zusammenzubringen, was Konrad Beikircher – laut Jürgen Becker ja immerhin der Erfinder des Rheinlands – zu der einsichtigen Bemerkung geführt hat, es sei wohl kaum Zufall, dass man in Köln für „Bier“ und „Sprache“ dasselbe Wort verwende.

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Im Bergischen gibt es eine Hähnchenbraterei, die so beliebt ist, dass sich regelmäßig bereits eine Stunde vor Öffnung eine Warteschlange bildet. Der Wirt, der gerade den Ofen angeschmissen hat, reicht den Wartenden Kölsch heraus, und durch diesen magischen Trick verwandelt sich die Reihe Wartender in eine Gruppe Zuprostender und miteinander Redender.

Versuchen Sie das einmal mit Maßkrügen!

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