Warum Frauen beim Rückwärtseinparken in den Einkaufstüten ihrer Männer nach Heinz von Foerster suchen sollten

Wie jeder weiß müssen Frauen ja immer mit ihren Freundinnen gemeinsam auf dem Klo darüber reden, dass sie beim Schuhe kaufen nicht rückwärts einparken können und Männer können gar nicht anders, als dauernd fremdgehen wollen zu müssen und beim Fußball den Neandertaler raushängen zu lassen, das aber nur hintereinander, weil Multitasking, das können sie ja nicht, wegen egoistischen Genen, Hormonen, Hirnforschung, rechter Hirnhälfte, linker Hirnhälfte, denn damals in der Steinzeit, Jäger und Sammler, das legt man ja nie mehr ab, trotz Atombombe und iPhone heutzutage, das ist ja millionenaltes Erbe, tja.

Allenthalben stößt man auf die Behauptung dieses oder jenes sei eben so, den Tatsachen müsse man ins Auge blicken. Gerne mit einem Verweis auf eine Autorität, die hierzulande nur noch selten die Kirche ist, sondern in aller Regel die Wissenschaft oder die eigene Lebenserfahrung und Wahrnehmungswelt. Und viel zu selten stößt man auf die Behauptung, dass es Dinge gibt, die man wissen kann und andere, die man eben nicht wissen kann.

Die Frage nach dem Einfluss des biologischen Geschlechts ist so ein Fall. Die Frage, ob jemand etwas tut, weil es genetisch vorbestimmt ist (und also nicht anders geht) oder weil er oder sie es so gelernt hat (es also auch anders ginge) ist unentscheidbar.

Unentscheidbar sind nach Heinz von Foerster Fragen, bei denen es keine eindeutige und allgemein verbindliche Regel gibt, nach der man entscheiden kann, was die richtige Antwort ist. Viele andere Fragen sind zumindest theoretisch entscheidbar (Wann war der 1.FC Köln zum letzten Mal deutscher Fußballmeister? Was ist Quadratwurzel aus 23?). Wenn man diese Fragen stellt, weiß man schon, nach welchen Regeln man feststellen kann, was die richtige Antwort ist, und alle sind sich darüber einig. Die meisten wirklich wichtigen Fragen im Leben sind aber unentscheidbar (Was ist ein gutes Leben? Wer macht die besten Bratkartoffeln? Hätte ich einen anderen Mann heiraten sollen?).

Diese Jungs-sind-eben-anders-als-Mädchen-Geschichte wird regelmäßig als entscheidbare Frage verkauft. Es sei wissenschaftlich bewiesen, dass Männer eben dieses und Frauen etwas anders könnten, machten oder wollten. Wie aber soll die Wissenschaft das angestellt haben? Was soll denn die Regel sein, nach der man verbindlich feststellen kann, dass jemand etwas macht, nur weil sie eine Frau ist oder weil er ein Mann ist und nicht aus anderen Gründen und es eigentlich auch anders ginge?

Natürlich kann man empirisch der Frage nachgehen, welchen Einfluss das biologische Geschlecht auf das Verhalten eines Menschen hat. Man kann dazu  sinnvoll forschen und zu diesem Thema auch eine Menge entscheidbarer Fragen formulieren, die dann der wissenschaftlichen Beobachtung und Hypothesentestung zugänglich sind, etwa ob bestimmte Gene üblicherweise mit bestimmten Hormonen assoziiert sind, die üblicherweise mit bestimmten Verhaltensweisen assoziiert sind oder etwas Ähnliches.

Aber wenn man das tut, weiß man anschließend eben, dass bestimmte Gene üblicherweise mit bestimmten Hormonen assoziiert sind, die üblicherweise mit bestimmten Verhaltensweisen assoziiert sind. Ob Claudia rumzickt, weil sie weibliche Gene hat und ob Thomas rumbrüllt, weil er männliche Gene hat, weiß man nicht. Es gibt keine Regel, das verbindlich zu entscheiden.

Das bedeutet, wir können uns häufig entscheiden, wie sehr wir bestimmte Verhaltensweisen als geschlechtsspezifisch biologisch determiniert ansehen. Und wir können vor allem entscheiden, welche Fragen wir stellen. Wenn wir möchten können wir ja, anstatt zu fragen, was Männer und Frauen unterscheidet und zu versuchen herauszufinden, warum das so ist, auch fragen, was man tun muss, damit bestimmte Unterschiede geringer werden.